Infektanfälligkeit in den Fokus gerückt
FIND-ID und andere Organisationen haben in den vergangenen Jahren aufverschiedenen Wegen versucht herauszufinden, wie viele Patienten in Deutschland an einem Primären Immundefekt (PID) leiden. Der Jeffrey-Modell-Foundation wurden ca. 4000 Fälle gemeldet, allerdings haben einzelne deutsche Zentren keine Zahlen zur Verfügung gestellt. Eine realistische Schätzung liegt derzeit bei 5000 bekannten Fällen. Die Dunkelziffer nicht diagnostizierter Fälle ist nicht bekannt. Es ist denkbar, dass weitere Patienten in den Praxen niedergelassener Ärzte behandelt werden. Um dies herauszufinden hat FIND-ID eine Anfrage an Herrn Dr. Dominik Graf von Stillfried, Geschäftsführer des Zentralinstituts für die Kassenärztliche Versorgung, gerichtet, wie oft in Deutschland ICD-Codes für PID verwendet wurden. Das überraschende Ergebnis war, dass diese Codes für ca. 500.000 Fälle vergeben wurden. Demnach wären davon nur 1% an Zentren behandelt worden, was völlig unplausibel war. Der Fehler im System scheint zu sein, dass der Code für „Infektanfälligkeit“ gleichbedeutend verwendet wird mit dem für „PID“ und „Infektanfälligkeit“ somit automatisch einem pathologischen Zustand gleichgestellt wurde, was der überwiegenden Mehrzahl der niedergelassenen Ärzte vermutlich nicht bewusst gewesen ist. Dieses Missverständnis führte zu den fraglos fehlerhaften Zahlen. Dr. von Stillfried hat daraufhin eine Arbeitsgruppe unter Leitung von Frau Dr. Ina Martini ins Leben gerufen, die ein Manual erarbeiten sollte, das bei der korrekten Kodierung hilft. Bisher wurden 25.000 Exemplare gedruckt und bundesweit an die Kassenärztlichen Vereinigungen verschickt.
Hier das Kodiermanual downloaden.
In einfacher Form vermittelt die Broschüre Informationen über „physiologische“ und „pathologische“ Infektanfälligkeit. Will man in diesem System die physiologische Infektanfälligkeit kodieren, erhält man den Code Z86.1, der nicht zu den PID zählt. Will man aber pathologische Infektanfälligkeit kodieren (Code D84.9), so sollte das nicht mehr ohne eine gewisse Basisdiagnostik passieren: Blutbild, Differentialblutbild, Immunglobuline IgG, IgA, IgM, Antikörper gegen Tetanus und Pneumokokken. Diese Tests sollen eine Hilfe sein, bei pathologischer Infektanfälligkeit zwischen einem sekundären und einem primären Immundefekt zu unterscheiden. Einige primäre Immundefekte werden dann genauer charakterisiert, um eine weitere Hilfestellung bei der korrekten Kodierung zu bieten. Die Arbeitsgruppe hat auch die Limitierungen des aktuell verwendeten ICD-10-GM diskutiert. Diese entstehen, weil die Struktur der aktuellen Klassifikation der PID und der ICD-10-GM nicht zusammen passen. Man ist also gezwungen, Diagnosen in den ICD-10-GM „hineinzuquetschen“. Zudem ist der ICD-10-GM nicht nach oben offen, das heißt, dass die vielen neuen Krankheitsbilder nicht mit eigenen Codes versehen werden können. Die einzige Konsequenz muss sein, den ICD-11 völlig neu zu strukturieren, mit der PID-Klassifikation kompatibel zu machen, und Raum zu schaffen für neue PID, die dann nur in die Struktur eingefügt werden müssen. Ein ICD-11 ist allerdings kein nationales, sondern ein internationales Projekt, das vermutlich von der WHO koordiniert werden wird. Wann der ICD-11 dann zur Verfügung stehen wird, ist nicht abzusehen.
Das Kodier-Manual zu „Infektanfälligkeit und Immundefekt“ ist eine wichtige Hilfe für die niedergelassenen Ärzte, diese Begriffe sinnvoll einzusetzen. Es ist das dritte Manual, das das Zentralinstitut zur Verfügung stellt, neben dem für HIV-Infektion und Demenz. KBV und ZI sind sich der Wichtigkeit dieses Themas bewusst.
FIND-ID und DSAI sollte diese Initiative aufgreifen und das Thema„Abklärung bei Infektanfälligkeit und korrekte Kodierung von PID“ mit den niedergelassenen Kollegen diskutieren. Es bleibt zu hoffen, dass sich viele Ärzte FIND-ID anschließen werden.